Nun, da der Zauberhut-Trick mit dem Tunnel vom Tisch ist, sind neue Ideen gefordert. Diesen Auftrag schob Carmen Walker Späh nach ihrer Niederlage dem Zürcher Stadtrat zu. Dieser hat in einem Jahr kaum mehr geleistet als Gespräche über Tempo 30 und über eine Busspur zu führen. Im Allgemeinen wirkt die Zürcher Verkehrspolitik ausgesprochen mutlos, wie sich auch am Beispiel der Bellerivestrasse erkennen lässt. Wie Ex-Stadtpräsident Josef Estermann es in einer Diskussion ausdrückte, zielt die Verkehrspolitik der Stadt Zürich nicht auf eine Reduktion des Verkehrs ab. Ich würde sogar sagen, dass sie sich davor fürchtet. Die FDP liebäugelt gar mit einer Autobahnbrücke über den Oberen Letten (vgl. NZZ vom 4. Februar), um eine allfällige Minderkapazität auf der Rosengartenstrasse zu kompensieren.

Der Artikel 104, Paragraf 2bis

Der gefürchtete Teil des Artikels 104 der Kantonsverfassung be­sagt seit 2017, dass es keinen Kapazitätsabbau im motorisierten (!) Privatverkehr ohne Kompensation geben darf. Dies war der Gegenvorschlag zur SVP-Anti-Stau­initiative. Heisst das, dass Velos nicht zählen? Was ist mit E-Bikes? Keiner weiss es, denn es hat noch nie ein Gericht über den Artikel befunden. Wie ein Gespenst scheint dieser Passus die Stadtzürcher Verkehrspolitik zu verfolgen. Dabei ist dessen Rechtsgültigkeit bestenfalls fragwürdig. Er widerspricht bereits dem 1. Paragrafen desselben Artikels, der besagt, dass der Verkehr umweltgerecht sein soll. Josef Estermann bezeichnete den Paragraf 2bis als bundesverfassungswidrig.

«Ein blühender Rosengarten»

Die Gruppe «Rosengärtner/innen» lieferte anfangs Jahr einen wegweisenden Vorschlag, mit dem idyllischen Namen «ein blühender Rosengarten».

Ein Sonderdruck der Zeitschrift «Hochparterre» skizziert, wie manbis 2025 aus der Rosengarten-und Bucheggstrasse typische Zürcher Hauptstrassen machen könnte. Die Verkehrsplaner schlagen vor, eine Fahrspur aufzuheben, Tempo 30 einzuführen und fünf Fussgängerwege zu schaffen. Dies alles zeigen sie mit technischen Zeichnun­gen für alle wichtigen Abschnitte auf. Durch die aufgehobene Spur bergab gewinnt man Platz für breitere, bepflanzte Gehwege und für einen Veloweg bergauf. Das Tempo 30 vermag den Lärm kostengünstig zu reduzieren und senkt die Attraktivität der Rosengartenstrasse für den Durchgangsverkehr. Die fünf Fussgängerüberwege ermöglichen eine menschenfreundliche Verbindung der beiden Quartierhälften. Eine Dosierampel auf der Hardbrücke verhindert hierbei ein Stop-and-go. Der Zeithorizont für die Massnahmen ist 2025 bis 2040, dabei setzen die Planer auf die Gubristtunnel-Erweiterung für den Ausweichverkehr auf die Nordumfahrung. Letztlich soll so der Verkehr bis 2025 auf 40 000 Fahrzeuge pro Tag sinken.

Die Angst vor der Yuppisierung

Ein erheblicher Faktor für die deutliche Ablehnung des Tunnelprojekts im Kreis 10 waren Bedenken zur Preissteigerung bei den Mieten. Momentan sind die Möglichkeiten, steigende Mieten zu verhindern begrenzt. Die Stadt kann zum Beispiel selbst Liegenschaften erwerben und diese gemeinnützig verwalten. Eine andere Option böte eine Anpassung der Mehrwertabschöpfung auf private Liegenschaften. Ganz egal, wie man den Rosengarten saniert, wird für dieses Problem eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden müssen.

Das Quartier muss mitreden

Am Rosengarten muss etwas passieren. In punkto Mobilität muss weniger linear gedacht werden. Sonst vergisst man schnell, dass es auch andere Mobilitätsbedürfnisse gibt, wie das Velofahren, das Spazieren oder das einfache Überqueren einer Strasse. Es braucht die Mitwirkung aller Betroffenen. Angedacht wäre eine Partizipation, wie bei der Umgestaltung des Röschibachplatzes, aus der ein belebtes Quartierzentrum entstanden ist. Eines steht fest, die Lösung des Jahrhundertproblems Rosengarten wird ein städtebauliches Leuchtturmprojekt, welches weit über Zürich hinaus strahlen wird.

Martin Busekros