Wachstum kostet
Zürich ist und bleibt attraktiv. Die Bevölkerung der Stadt Zürich nimmt ebenso wie die Anzahl der Beschäftigten seit Jahren konstant stark zu.[1] Hinzu kommt, dass der Stadt vom Kanton Zürich weiteres Wachstum diktiert wird. Die Stadt Zürich hat die planerische Vorgabe, bis über das Jahr 2030 Raum für mehr als 80’000 zusätzliche Bewohnerinnen und Bewohnern vorzusehen.
Wachstum kostet aber zuerst einmal. Für Schulen, Kinderbetreuung, die Mobilität, ein qualitativ hochstehendes Grünraumangebot und viele weitere Infrastrukturen muss die Stadt Zürich investieren. Die Investitionen der Stadt Zürich allein in den Bereichen Verkehr, Grün- und Freizeitanlagen und Schulen beliefen sich zwischen 2005 und 2015 auf über 2 Milliarden Franken, abzüglich 360 Millionen Franken an Subventionen oder Rückerstattungen.[2] Zwar wäre ein Teil dieser Investitionen auch ohne Wachstum angefallen, aber gewisse Teilbereiche sind klar der wachsenden Stadt anzurechnen, so z.B. ein grosser Teil der Investitionen in Schulbauten von 710 Millionen Franken (netto 685 Millionen Franken).
Die Grünen stehen quantitativem Wachstum grundsätzlich kritisch gegenüber. Viel lieber ist uns qualitatives Wachstum. Aufgrund übergeordneter politischer Entwicklungen lässt sich ein quantitatives Wachstum aber nicht ganz vermeiden. Hinzu kommt, dass in einzelnen Teilbereichen, so beispielsweise in der ausserfamiliären Betreuung, auch noch ein Nachholbedarf vorhanden ist. Es stellt sich damit die Frage, wie dieses Wachstum zu finanzieren ist.
Zwar sind die Steuereinnahmen in den letzten Jahren angestiegen. Doch die Erträge wachsen nicht in dem Mass, wie die Aufwendungen – trotz grosser Ausgabendisziplin – steigen. Das ist nicht weiter verwunderlich: Wegen eines ruinösen Steuer- und Standortwettwerbs, angezettelt von politischen Mehrheiten im Bund und vielen Kantonen, nahm die Stadt Zürich deutlich weniger ein, als sie es bei unveränderten Steuererträgen getan hätte. Neben der Reduktion des Steuerfusses im Jahre 2008 von 122% auf 119% durch die Stadt selber waren es vor allem die Entlastungen der Steuerzahlenden durch übergeordnete Staatsebenen, die allein in den Jahren 2004 bis 2013 zu kumulierten Mindereinnahmen der Stadt Zürich von über 2.2 Milliarden Franken geführt haben.[3]
Die Grünen der Stadt Zürich wollen, dass die Stadt Zürich eine ökologisch und sozial vorbildliche Politik verfolgt und die Rahmenbedingungen für eine innovative und leistungsfähige Wirtschaft sicherstellt. Deshalb ist die grüne Steuerpolitik langfristig und berechenbar ausgerichtet, die wichtigste Grundlage für eine langfristige Planung. Als im Jahr 2007 die Pläne für massive Steuersenkungen publik wurden, waren es die Grünen, die sich für eine moderate Steuersenkung eingesetzt haben. Ziel war es, auch fünf Jahren später noch ein Eigenkapital von 800 Millionen Franken sicher zu stellen. Diese Ausrichtung auf eine langfristig ausgerichtete Strategie hat sich bewährt. Das Eigenkapital ist zwar kleiner geworden, war mit 667 Mio Franken per Ende 2014 aber immer noch so hoch, dass Panikreaktionen nicht nötig sind.
Allerdings sind die Grünen nun zur Einschätzung gekommen, dass Bund und Kanton Zürich mit ihrer Politik der Steuergeschenke eine wachsende Stadt wie Zürich vor beinahe unlösbare Aufgaben stellen. Die Schere zwischen Wachstumslasten und den dafür zur Verfügung stehenden Mitteln wird immer grösser.
Zwar stünde schon seit langer Zeit mit der Mehrwertabgabe auf Planungsgewinnen ein Instrument des nationalen Raumplanungsgesetzes zur Verfügung, wie Private sich ebenfalls an den Infrastrukturausgaben der öffentlichen Hand beteiligen könnten. Diese profitieren nämlich ganz direkt von planerischen Leistungen, aber auch von der Verbesserung der Infrastruktur. Leider wird diese sinnvolle Mitbeteiligung von Privaten an den Kosten des Wachstums seit über 30 Jahren von den gleichen politischen Kräften blockiert, die wegen eines ruinösen Steuer- und Standortwettbewerbs die Wachstumsinvestitionen der Gemeinden nicht finanzieren wollen. Die Gemeinden sind deshalb gezwungen, ihr Wachstum auf Kosten ihrer finanziellen Substanz zu finanzieren.
Die Grünen der Stadt Zürich schlagen deshalb vor, dass bis zum Zeitpunkt, an dem die Abgeltung von Planungsmehrwerten einen substantiellen Ertrag in der Stadtkasse ausmachen, die Steuerentlastung aus dem Jahr 2008 wieder rückgängig zu machen ist. Die so erzielten rund 50 Millionen Franken jährlich sollen zur Finanzierung der sehr viel höheren Wachstumsaufwendungen eingesetzt werden. Wie finanzielle Einbussen der Stadt Zürich durch weitere Steuersenkungen (wie die aktuell diskutierte Unternehmenssteuerreform III) kompensiert werden, muss in einem späteren Zeitpunkt diskutiert werden. Hier fordern die Grünen selbstverständlich, dass die eidgenössischen Räte auch den Städten – und nicht nur die Kantonen – Ausgleichszahlungen zuzugestehen haben.
Die Grünen sind der Meinung, mit dieser moderaten Steuererhöhung zu einem frühen Zeitpunkt eine langfristige Planung zu erleichtern und auch die Steuerbelastung berechenbar zu machen. So sollte es gelingen, auf eine später notwendige, deutlich höhere Steuererhöhung, bedingt durch das rasante Wachstum der Stadt Zürich, zu verzichten. Ab dem Zeitpunkt, in dem die Abgeltung von Planungsmehrwerten zu substantiellen Erträgen führt, könnte die Steuerfusserhöhung wieder zur Disposition gestellt werden.
[1] 2004 lebten erst 364’977 Personen in Zürich, 2014 waren es schon 404’783 Personen; ein Zuwachs von 11%. Die Anzahl der Arbeitsplätze wuchs zwischen 2004 und 2014 noch deutlicher an, von 327’100 auf 387’600, also über 18% in 10 Jahren.
[2] GR Nr. 2015/59 Interpellation von Christine Seidler betreffend Ausmass der Planungsgewinne als Folge von Ein-, Um- und Aufzonungen von Infrastruktur-Investitionen sowie Handlungsspielräume für eine Teilabschöpfung der Planungsmehrwerte.
[3] GR NR 2014/341 Schriftliche Anfrage von Matthias Probst und Markus Knauss und 12 Mitunterzeichnenden betreffend Steuerliche Massnahmen beim Bund und Kanton Zürich, Auswirkungen auf das Steuersubstrat der Stadt.