«Es gibt eine gewisse Desillusionierung, wenn man parlamentarische Politik macht», sagt Martin Busekros. «Alles dauert sehr lang, und nichts, was wir im Parlament machen können, verspricht einen quick win.»

Für quick wins sitzt Busekros wohl auch in der falschen Fraktion des Zürcher Gemeinderats. Seine Grünen haben sich Grosses vorgenommen: Sie wollen den möglichst vollständigen Ausstieg der Stadt aus fossilem Energieverbrauch, ihren Umbau zur Velostadt, eine grossflächige Entsiegelung und mehr Bäume, um ihre Bewohner:innen vor der Hitze zu schützen. Die Beschaffung eines neuen Tukans für die Stadtgärtnerei, die zwei Fraktionsmitglieder der FDP im vergangenen Jahr forderten, ist da deutlich einfacher zu bewerkstelligen. Doch mit den langsamen Prozessen der städtischen Politik kann Busekros inzwischen leben. Der Parlamentarismus sei eben die Rolle, die er für sich gefunden habe, erklärt er.

Es ist Halbzeit in der aktuellen Legislaturperiode im Gemeinderat. Die Grünen sind 2022 mit viel Enthusiasmus und einer Verjüngungskur angetreten und haben so Rekordergebnisse erzielt. Hier trifft der Enthusiasmus der Strasse auf den zähen Parlamentsbetrieb. Wie verträgt sich das? Und was macht die Zürcher Fraktion, um dem nationalen Trend zum Stimmeneinbruch bei den Grünen entgegenzuwirken?

Mit Forderung nach Zukunft erstmals drittgrösste Fraktion

In die parlamentarische Arbeit gestartet ist der damals 22-jährige Busekros bei den Gemeinderatswahlen 2022 mit einem klimaaktivistischen Hintergrund und drei weiteren jungen Mitstreiter:innen, die mit ihm erstmals in den Rat gewählt wurden: Yves Henz, Anna-Béatrice Schmaltz und Dominik Waser.

Sie alle einte ihre politische Prägung im Klimaaktivismus und Queerfeminismus, ihre Mitgliedschaft bei den Jungen Grünen und ihr Wahlslogan «Ich will Zukunft». Und sie sollten entscheidend dazu beitragen, den Grünen ein Rekordergebnis an Stimmen und erstmals die drittgrösste Fraktion im Zürcher Gemeinderat zu bescheren. Dominik Waser gelang mit seiner Stadtratskandidatur ein Achtungserfolg. Er liess unter den nicht Gewählten alle bürgerlichen Kandidat:innen hinter sich und zog gleichzeitig als bekanntestes Gesicht der Jungen ins Parlament ein.

Den Stadtrat auf Trab halten

Auch Waser zeigt sich nach zwei Jahren Parlamentsarbeit ernüchtert von der Trägheit der parlamentarischen Prozesse. «Es war mir klar, dass wir im Parlament nicht den Aktivismus ‹der Strasse› machen können», sagt er, «aber wir können versuchen, eine Dynamik reinzubringen, die den Status Quo infrage stellt. Dabei müssen wir uns allerdings mit bestimmten Rahmenbedingungen abfinden und versuchen, etwas zu erreichen.»

Was Waser mit den bestimmten Rahmenbedingungen meint: Ein Stadtrat und eine Verwaltung, die nicht mutig und entschlossen genug seien, um im entsprechenden Tempo und Umfang die Massnahmen umzusetzen, die seiner Ansicht nach nötig wären für die Erreichung des städtischen Netto-Null-Ziels.

Ich versuche, sie anzutreiben. Druck aufzubauen, dass es schneller vorangeht.
Dominik Waser, Gemeinderat GRÜNE Stadt Zürich

Waser will sich nicht mit dieser Situation abfinden. Als Mitglied der Kommission für Tiefbau und Entsorgung (TED) sowie die industriellen Betriebe (DIB) legt er sich oft mit FDP-Stadtrat und DIB-Chef Michael Baumer an. Das sei seine Hauptbeschäftigung im Parlament, erläutert er: «Ich versuche, sie anzutreiben. Druck aufzubauen, dass es schneller vorangeht. Die Zeiten, in denen es ausreicht, nur die bequemen Schritte zu gehen und nicht weiter, sind längst vorbei.» Die Abwehrhaltung in Regierung und Verwaltung, die ihm bei seinem Druckaufbau entgegenschlage, frustriert ihn, wie er sagt.

Für Dominik Waser ist es nachvollziehbar, dass sich der Enthusiasmus über die linksgrüne Ratsmehrheit in gewissen Teilen der Stadtbevölkerung in Grenzen hält – obwohl es immer wieder ziemlich deutliche Mehrheiten für linksgrüne Vorlagen und Initiativen gibt. Er sieht das Problem klar in der Exekutive. Denn die meisten Anliegen aus dem Parlament kämen zwar durch, «aber das, was die Leute sehen, ist die langsame, wenig konsequente und mutlose Umsetzung». 

Wie Waser hat sich ein Grossteil der verjüngten Grünen-Fraktion vorgenommen, Stadtrat und Verwaltung in dieser Legislatur auf Trab zu halten. Der jugendliche Elan, der mit den Jungen ins Parlament einzog, ist in einer regen Betriebsamkeit aufgegangen. In fast 250 Vorstössen innerhalb der ersten beiden Jahre versuchten die Fraktionsmitglieder gleich an mehreren Fronten die Weichen neu zu stellen, Althergebrachtes über den Haufen zu werfen, Projekte feinzujustieren: Sei es beim Weg zu Netto-Null, bei Inklusion und Geschlechtergerechtigkeit, bei Veloständern vor Schulgebäuden. Als bliebe nur diese eine Legislaturperiode, um eine Zukunft zu schaffen, wie man sie 2022 gewollt hätte.

Trends setzen oder dem Abwärtstrend folgen

Tatsächlich könnte es sein, dass sich das Fenster für grüne Zukunftsideen bereits in zwei Jahren wieder schliesst. Die sogenannte «grüne Welle», die der Partei landesweit Rekordwerte brachte und deren Ausläufer bei der Wahl 2022 Zürich erreichten, ist abgeebbt. Bei den Nationalrats- und Kantonsratswahlen 2023 büssten die Grünen bereits wieder Stimmen ein, vielerorts ist von einer Korrektur die Rede. Die Klimabewegung, die die Welle durch ihre Massenproteste massgeblich losgetreten hatte, spielt in der Öffentlichkeit inzwischen nur noch eine Nebenrolle. Und der Queerfeminismus sieht sich mit immer aggressiverer Stimmungsmache von Rechtsaussen konfrontiert.

Dann müssen wir uns eben darum kümmern, die Trends zu setzen.
Martin Busekros, Gemeinderat Junge Grüne Stadt Zürich

«Unsere Ergebnisse in den letzten Jahren hatten viel mit Dingen zu tun, auf die die Grünen selbst keinen Einfluss hatten», fasst es Waser zusammen. Das gelte sowohl für die positiven als auch für die negativen. «Meiner Meinung nach geht es voll um Trends», meint auch Martin Busekros. Angst, dass die Grünen in zwei Jahren vollends untergehen, hat keiner von beiden. «Dann müssen wir uns eben darum kümmern, die Trends zu setzen», so Busekros.

«Unsere Ergebnisse in den letzten Jahren hatten viel mit Dingen zu tun, auf die die Grünen selbst keinen Einfluss hatten», fasst es Waser zusammen. Das gelte sowohl für die positiven als auch für die negativen. «Meiner Meinung nach geht es voll um Trends», meint auch Martin Busekros. Angst, dass die Grünen in zwei Jahren vollends untergehen, hat keiner von beiden. «Dann müssen wir uns eben darum kümmern, die Trends zu setzen», so Busekros.

HIER DEN GANZEN ARTIKEL LESEN!

„Nach dem Rekordergebnis: Wie sich die Zürcher Grünen für die nächste Wahl aufstellen“, Steffen Kolberg, Tsüri, 21.8.2024