In Zürich herrscht Wohnungsnot – wieder einmal! In den 1990er Jahren ertönte einst der Ruf «Wo, Wo, Wohnige», in der 2000er startete der damalige Stadtpräsident Elmar Ledergerber das Programm «10’000 Wohnungen in zehn Jahren» (und konnte es mehr als erfüllen) und trotzdem fehlen bereits wieder Wohnungen, insbesondere bezahlbare.

Zürich wohnt zu gross

Erst vor wenigen Wochen übertraf die Bevölkerung der Stadt Zürich die Zahl, die sie beim letzten Rekordstand von 1962 aufwies. Warum fehlt Wohnraum, wenn in den letzten Jahrzehnten zig-tausend Wohnungen gebaut worden sind? Der Grund liegt ganz einfach im Wohnflächenverbrauch. Während 1970 die durchschnittliche Wohnfläche knapp 30 Quadratmeter pro Person betrug, ist sie bis 2021 auf knapp 40 Quadratmeter gestiegen! Würden wir noch genauso bescheiden wohnen wie vor 50 Jahren, könnten heute über 586’000 Menschen in unsere Stadt wohnen!

Hier muss eine Grüne Wohnpolitik ansetzen – beim Flächenverbrauch! Denn jeder Quadratmeter Wohnung will beheizt sein und jeder Quadratmeter muss gebaut werden, steht auf Land, das fortan versiegelt ist, verbraucht Energie für Beton, Stahl, Glas und andere Baumaterialien und stösst dabei grosse Mengen an Treibhausgasen aus.

Gemeinnutz vor Eigentum

Die meisten Genossenschaften sind hier vorbildlich. Ihre Wohnungsgrundrisse sind kleiner und werden dichter bewohnt, als kommerzielle Wohnungen, sofern Belegungsvorschriften gelten. Auch das verdeutlichen ein paar Zahlen. Genossenschafter*innen wohnen in der Stadt Zürich auf durchschnittlich 35 Quadratmeter, während Mieter*innen kommerziell vermieteter Wohnungen 42 Quadratmeter konsumieren, also rund 20 % mehr. Und beim selbstbewohnten Stockwerkeigentum, beträgt der Wohnflächenverbrauch gar 52 Quadratmeter pro Person! Wir GRÜNE sollten also die Förderung von Wohneigentum ablehnen, wie zum Beispiel den Vorbezug von Pensionskassengeldern.

Der Wohnraumfonds hilft beim Liegenschafskauf

Genossenschaften bieten also nicht nur preisgünstige Wohnungen nach dem Prinzip der Kostenmiete an, sondern gehen sparsam mit Boden und Baumaterialien um. Das Ziel von einem Drittel gemeinnütziger Wohnungen, das in der Gemeindeordnung festgesetzt ist, ist darum wichtig. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Stadt Boden und Liegenschaften kaufen, wo sie kann. Das ist allerdings nicht ganz einfach. Die Preise bei Handänderungen sind teils derart hoch, dass selbst die Kostenmiete (die Miete, die aufgrund der effektiven Kosten einer Wohnung berechnet wird) nicht mehr als erschwinglich gelten kann. Hier wird die Stadt nicht umhinkommen, Gelder bei Liegenschaftskäufen abzuschreiben, um die Mieten erträglich zu halten. Der Wohnraumfonds, den die GRÜNEN mit einer Motion gefordert haben, wird zurzeit in der zuständigen Kommission des Gemeinderates beraten und tritt hoffentlich bald in Kraft.

Grüne Forderungen

Auch wenn Zürich das Drittelsziel erreicht, heisst das, dass zwei Drittel (heute drei Viertel) aller Wohnungen nicht gemeinnützig sind. Wir GRÜNEN müssen also versuchen, auch hier Hebel zu finden, um Private in die Pflicht zu nehmen. Beispielsweise mit diesen Forderungen:

  • Reduktion der Wohnfläche pro Person
  • Weiterbauen und Sanieren bestehender Liegenschaften (Verdichten im Bestand) statt Ersatz
  • Bauen mit Materialien mit wenig grauer Energie und tiefem Treibhausgas-Ausstoss
  • Weniger Autoabstellplätze (diese werden meist unterirdisch mit viel Beton erstellt und verteuern das Bauen)
  • Einfordern eines Anteils gemeinnütziger Wohnungen bei Gestaltungsplänen und Arealüberbauungen
  • Attraktive und ökologisch gestaltete Aussenräume
  • Keine Förderung von Wohneigentum

Jürg Rauser

Jürg Rauser ist Gemeinderat in der Stadt Zürich, Architekt ETH und Baubiologe.