Monika Bätschmann, Fr 13.03.20

Die Medienmitteilung der Stadt Zürich, wonach es neu einen Emilie Lieberherr-Platz gibt, welcher aufgrund eines Postulates der beiden Grünen Gemeinderätinnen Elena Marti und Katharina Prelicz-Huber so benannt wurde, hat mich zwar gefreut, aber auch nachdenklich gestimmt. Immer noch müssen wir Frauen um unsere Sicht- und Wahrnehmbarkeit kämpfen.

Aber der Reihe nach: Anlässlich des Frauenstreiktages vom 14. Juni 2019 wurde von den Organisatorinnen des Standes eine kleine, informelle Abstimmung durchgeführt. Der offiziell bisher unbenannte Platz auf der Höhe der Langstrasse 214, sollte einen Frauennamen erhalten, um damit die Leistungen von Frauen sichtbar zu machen. Die meisten Stimmen erhielt Emilie Lieberherr. Sie war unter anderem die erste weibliche Stadträtin in Zürich (von 1970 bis 1994) und sie war eine der engagiertesten, unermüdlichsten Kämpferinnen für die Rechte der Frauen und Benachteiligten in unserer Gesellschaft. Die Ehrung ist also verdient.

Mehr Arbeit, weniger Lohn

Frauen – ob bekannt oder nicht – sind die Stütze unserer Gesellschaft. Sie erbringen den grössten Teil der unbezahlten Hausarbeit, betreuen Kinder und Angehörige, leisten freiwillige Arbeit in verschiedenen Lebensbereichen – sogenannte Care-Arbeit – und sind nebenbei auch noch beruflich engagiert. So hat die Ökonomin Mascha Madörin ein Stundenvolumen der unbezahlten Care-Arbeit von 7697 Stunden gegenüber einem Gesamtvolumen der bezahlten Arbeitszeit von 6974 Stunden errechnet («Care-Ökonomie – eine Herausforderung für die Wirtschaftswissenschaften» 2010). Damit liegt auf der Hand, dass unsere Gesellschaft nicht mehr funktionieren würde, wenn die Frauen diese oft wenig wertgeschätzten Arbeiten nicht mehr erfüllen würden.

Obwohl seit 1981 in der schweizerischen Bundesverfassung und im Gleichstellungsgesetz festgehalten ist, dass alle Frauen und Männer ein Recht auf gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit haben, ist dies 2020 noch keine Realität. Nach wie vor gibt es gemäss einer Studie des Eidg. Gleichstellungsbüros eine unerklärbare Lohndifferenz von sieben bis acht Prozent zwischen den Geschlechtern, trotz gleicher Arbeit und gleicher Qualifikation.

Genderneutrale Sprache

Frauen engagieren sich seit langem für eine sprachliche Gleichbehandlung. Auch davon sind wir weit entfernt. Zum Beispiel finden es diverse Medien nicht nötig, Frauen konsequent anzusprechen. Frauen werden höchstens erwähnt oder angesprochen, wenn es nicht anders geht. Zugegeben: eine geschlechterneutrale Formulierung in der gesprochenen und geschriebenen Sprache ist nicht immer ganz einfach. Aber das ist kein Grund, sich nicht darum zu bemühen.

Frauen haben in der Vergangenheit viel geleistet und sie werden auch in Zukunft zweifelsohne viel leisten. Nicht zufällig hiess bereits der Slogan des Frauenstreiks 1991 «Wenn Frau will, steht alles still». Die Frauen, die wir aus der Vergangenheit kennen und die berühmt geworden sind, sollen wo immer möglich sichtbar sein, also auch in unserem Strassenbild. Auch weil sie für alle die Frauen stehen, die trotz grosser Leistung unsichtbar geblieben sind. Wir bleiben dran.

 

(erschienen im Tagblatt am 11.3.20)