Sehr geehrter Herr Ratspräsident, werte Ratsmitglieder

Noch bis am 10. Oktober und 24:00 gehöre ich diesem Rat an. Ab dann bin ich wieder ein ganz normaler Bürger. Ich kann mich zwar Altgemeinderat nennen und habe aufgrund meiner Erfahrung und meiner Kontakte einen etwas direkteren Zugang zu politischen Prozessen, aber mein Einfluss schwindet definitiv. Diesen Einfluss werde ich nicht vermissen, was ich aber vermissen werde, ist die leerreiche Arbeit im Rat und insbesondere in der Kommission. Wer ausser uns und den Angestellten in der Verwaltung, weiss zum Beispiel wie viel Vorarbeit in einem Strassenbauprojekt steckt und kann einigermassen nachvollziehen, weshalb das alles so lange dauert mit der Verkehrswende. Wobei ich es manchmal natürlich trotzdem noch nicht verstehe.

Wer noch nie aus dem Gemeinderat zurückgetreten ist, und das dürfte die meisten hier betreffen, dem gebe ich nun eine kurze Vorschau darauf was Sie erwartet: Es erwartet sie Zwecks Auswahl eines Abschiedsgeschenk eine Art Bea-Katalog ü65 mit solchen Highlights wie Zinnbecher, einem Stich des Ratshauses oder einer Wappenscheibe. Da ich einen Stich des alten Rathauses schon aus meiner Zeit im Kantonsrat vorweisen kann und die Halle 9 noch nicht in einem Stich verewigt ist, konnte mich diese Sparte leider nicht überzeugen. Im Kantonsrat hat man übrigens keine Wahl beim Abschiedsgeschenk.

Auch die Digitalisierung ist am Portfolio des Katalogs offenbar spurlos vorbei gegangen. Verschiedene Kugelschreiber und ein Brieföffner machen einen nicht unwesentlichen Teil des Sortiments aus. Der Katalog ist aber durchaus flexibel. Man kann auch einen beliebigen Warengutschein beziehen oder eine Spende einer wohltätigen Organisation zukommen lassen.

Als Zurücktretenden kann man aus diesem Katalog einen reglementarisch vorgeschriebenen Maximalwert an Gütern beziehen. Mit 3.5 Jahren Amtszeit hat man zum Beispiel Anspruch auf einen Warenwert von 100 Franken.

Wenn man von einer linearen Berechnung ausgeht hat Markus Knauss, stand heute, also Anrecht auf eine Abgangsentschädigung von sagenhaften 13.5 Brieföffnern.

Mir persönlich missfällt dieses reglementarische Geschenkverteilen, weil es in dieser Form eben eher den Charakter einer Abgangsentschädigung hat. Ich verzichte zwar nicht auf ein Geschenk, ich möchte den Betrag aber spenden. Ich möchte den Betrag der aus meiner Sicht lokal wichtigsten gemeinnützigen Organisation zukommen lassen. Diese Organisation versorgt uns alle mit wichtigen bis lebenswichtigen öffentlichen Gütern von A wie Abfallentsorgung oder Arbeitsvermittlung bis Z wie Zoo oder Zwischennutzung. Ich kann diese Organisation allen wärmstens empfehlen. Selbstverständlich spreche ich von der Stadt Zürich.

Natürlich schreibe ich das hier nicht nur für einen rhetorischen Witz. Wir stellen hier den Verwaltungsrat einer für uns alle sehr wichtige Organisation und sollten uns entsprechend unserer Pflicht bewusst sein. Wir sollten zum einen unsere individuelle Aufgabe ernst nehmen und uns inhaltlich vertieft mit der Materie befassen. Wir sollten aber auch als Organisation die Strukturen schaffen um diese Aufgabe den einzelnen Mitgliedern zu ermöglichen. Dazu gehört aus meiner Sicht ganz klar der Abschied von der Idee, dass wir hier ein Feierabendparlament sind. Wer seine Aufgabe hier ernst nimmt, braucht dafür mindestens ein 30% Pensum. Ein 9 Milliardenkonzern lässt sich nicht wie ein Turnverein verwalten.

Mir persönlich fehlte nicht die Zeit oder die Lust für das Amt sondern einfach nur die Zeit zur entsprechenden Tageszeit. Zwei oder drei Abende von zu Hause weg zu sein, lässt sich schwer mit einem Familienleben mit kleinen Kindern und einer ebenfalls engagierten Frau vereinbaren. Auch heute werde ich Zwecks Kinderbetreuungsaufgaben den Rat bereits um 19 Uhr wieder verlassen müssen. Es würde mich freuen mich in ein paar Jahren unter anderen Rahmenbedingungen wieder für diese Organisation zu engagieren. In der Zwischenzeit wünsche ich ihnen allen viel Vernunft für sachliche Entscheidungen, gute Diskussionen und wenig Wahlkampfgeplänkel und sage Auf Wiedersehen.