Markus Kunz, Mi 22.01.20

Wer von Stettbach mit der S-Bahn Richtung Winterthur fährt, erlebt kurz nach der Bahnstation gelebte Schweizer Wohnbaupolitik. Wie auf einer Hochbahn fährt man dort mitten durch das Zwicky-Areal. Links sieht man auf mehrere dicht gestellte, hässliche Neubauten, teils Wohn-, teils Büronutzung. Verschiedene Architekturbüros durften sich dort austoben, herausgekommen ist eine Einöde mit kaum öffentlichen Nutzungen – ausser einem Aldi. Ein Monsterbau am Rand mit Wohnungen und einem Hotel war bereits Gegenstand skandalisierender Presseartikel, sind doch dort eklatante Baumängel aufgetaucht.

Es geht auch anders
Rechterhand sieht man eine Siedlung, die zwar ebenfalls kein Bijou ist, die aber doch wesentlich interessanter aussieht: Zwicky-Süd. Der Unterschied ist folgender: Zwicky-Nord liegt vollständig auf Walliseller Boden und wurde ausschliesslich von privaten Investoren entwickelt. Das Resultat ist dementsprechend eine Mischung von Gebäuden in Marktmiete und Eigentumswohnungen. Zwicky-Süd liegt völlig auf Dübendorfer Boden. Dieses Areal wurde vom Besitzer einer Genossenschaft (Kraftwerk I) überlassen, die eine Siedlung in Kostenmiete (gemeinnütziger Wohnbau) erstellte. Diese umfasst nicht nur günstige Wohnungen, sondern auch soziale Einrichtungen und ermöglicht damit ein richtiges Siedlungsleben. Zwicky-Nord ist dagegen eine reine Renditeanlage ohne Lebensqualität.

Ein Menschenrecht
Das Zwicky-Areal zeigt wunderbar auf, was passiert, wenn Gemeinden kein eigenes Land besitzen und damit auch kein Mitbestimmungsrecht, wie in der Gemeinde gewohnt werden soll – und wer wohnen darf. Der Markt hat bekanntlich weder ein soziales Gewissen, noch interessieren ihn wichtige Kriterien einer funktionierenden Gesellschaft wie soziale Durchmischung oder Zusammenhalt in der Gemeinde. Den Markt interessiert nur, was sich teuer verkaufen oder vermieten lässt – also keine renditeschwache gemeinschaftliche Infrastruktur.

Hier will die eidgenössische Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» Abhilfe schaffen. Die Initiative des Mieterinnen- und Mieterverbands will, dass 10 Prozent des schweizerischen Wohnungsbestandes in Kostenmiete, also zu bezahlbaren Preisen erstellt werden. Kostenmiete ist ein klar definierter Begriff, der dem Hausbesitzer nebst seinen Kosten eine kleine Rendite gewährt, aber den Boden selber der Spekulation entzieht. Dafür muss der Zugang zu Bauland für Genossenschaften, Stiftungen oder Gemeinden verbessert werden. Kantone und Gemeinden sollen ein Vorkaufsrecht bekommen.

Bezahlbar Wohnen
Man kann nicht nicht-wohnen. Und wohnen geht auch nicht ohne Flächenverbrauch. Der Boden als natürliches Monopol müsste daher eigentlich der Allgemeinheit gehören. Aber da dies eine soziale Utopie ist, ist der gemeinnützige Wohnbau die zweitbeste Möglichkeit. Denn die Miete ist mit Abstand der grösste Ausgabenposten in jedem Haushalt!

(erschienen im Tagblatt am 22.1.2020)