In der Stadt Zürich findet seit mehreren Monaten eine intensive Debatte über Demonstrationen und Kundgebungen statt. Angeheizt wird diese einerseits durch bürgerliche Politiker*innen, welche die Ausübung der damit verbundenen Grundrechte an möglichst viele Bedingungen und Auflagen knüpfen wollen, andererseits aber auch durch die Stadtpolizei, welche fest hält, dass in Zürich jeden Tag eine Kundgebung oder Demonstration stattfindet und unter anderem darum mehr Personal fordert.

Schaut man genau hin, erweisen sich die Zahlenspiele rund um Demonstrationen und Kundgebungen jedoch als zugespitzt. Während gemäss Antwort des Stadtrates auf zwei schriftliche Anfragen im Gemeinderat (betreffend die Jahre 2018, 2019 und erste Jahreshälfte 2020) im Jahr 2018 72 sogenannte «Demonstrationen» stattgefunden haben, lag die Zahl der Kundgebungen bei 232. 2019 waren es 99 Demos resp. 196 Kundgebungen und in der ersten Jahreshälfte 2020 25 Demos und 75 Kundgebungen. 2021 waren es insgesamt 360. Während sich unter den aufgelisteten «Demonstrationen» schon solche mit 17, 30 oder 45 Personen finden lassen, gibt es bei den «Kundgebungen» gegen unten scheinbar keine Grenzen. Hier finden sich schon Ansammlungen von zwei, vier, fünf oder 12 Personen. 2018 waren es 12 grössere Demos mit 1’000 oder mehr Personen, 2019 20 und in der ersten Jahreshälfte 2020 deren 7. Nicht minder essentiell ist das Unterscheidungskriterium zwischen Kundgebung und Demonstration: Erstere verweilt an einem bestimmten Ort und es findet kein Umzug («Demo») statt. Man sieht also grössere Demonstrationen oder Kundgebungen finden in Zürich durchschnittlich höchstens ein bis zwei Mal pro Monat statt.

Wir GRÜNEN behalten in der Demo-Debatte darum den sachlichen Durchblick und wollen nicht, dass die öffentliche Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt oder die aktuell geltende Bewilligungspflicht weiter aufgebläht wird. Viel mehr wollen wir diese Rechte in der Stadt Zürich stärken.

Schon Ende 2021 fand eine Motion von uns, welche die Abschaffung der Bewilligungspflicht für Kundgebung und Demonstrationen und deren Ersatz durch ein einfaches Meldeverfahren fordert, im Gemeinderat eine deutliche Mehrheit. Neben uns stimmten auch SP, AL und GLP dem Anliegen zu. Der Stadtrat hat nun noch ein Jahr Zeit eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten und dem Gemeinderat vorzulegen. Wir warten gespannt.

Leider zeigte sich der in Vergangenheit ein zweites Problem. Aktuell können Personen, welche an nicht bewilligten Demonstrationen oder Kundgebungen teilnehmen, gestützt auf die Allgemeine Polizeiverordnung (APV) gebüsst werden. Dies führt dazu, dass Personen, welche an solchen Demos oder Kundgebungen teilnehmen, schnell in den polizeilichen Fokus geraten und im Anschluss gebüsst werden, wie zuletzt Kundgebungen rund um den 1. Mai 2021, den Frauenstreik oder verschiedene Klimademos gezeigt haben. Dass heute offenbar viele polizeiliche Ressourcen dafür verwendet werden, Personen, welche an solchen Kundgebungen teilnehmen, zu identifizierten und zu verzeigen, halten wir für fragwürdig.

Wir GRÜNEN sind der Meinung, dass Personen, welche lediglich ihr Recht auf freie Versammlung- und Meinungsäusserung wahrnehmen, nicht gebüsst werden sollen, nur weil sie an einer Ansammlung von Personen teilnehmen, für die niemand eine Bewilligung eingeholt hat. Darum machen wir in Sachen Grundrechten weiter vorwärts und haben vor wenigen Wochen einen zweiten Vorstoss eingereicht, welcher eine Anpassung der APV fordert, so dass die Teilnahme an einer solchen Demo oder Kundgebung künftig nicht mehr gebüsst werden. Wir sind der Ansicht, dass durch die aktuellen Bestimmungen in der APV Menschen durch die Androhung einer Busse davon abgeschreckt werden können, ihre Grundrechte bezüglich Meinungs- und Versammlungsfreiheit auszuüben und wir sind der Meinung, dass der Polizei damit unnötig Arbeit aufgehalst wird. Eine Bestrafung aufgrund der Teilnahme an einer politischen Kundgebung oder Demonstration, unabhängig von deren Verlauf, ist ein nichtgerechtfertigter Eingriff in die Grundrechte. Die Stadt sollte deshalben zur Wahrung der Grundrechte auf solche Bestrafungen verzichten.

Der zweite positive Nebeneffekt: wir entlasten die überlastete Stadtpolizei, welche sich künftig nicht mehr so intensiv in dieser Form eine Übertretung auseinandersetzen muss.