40 Jahre Stadtpolitik – 30 Jahre Parteipolitik – 10 Jahre Gemeinderat – 5 Jahre Fraktionspräsidium: Zeit zu gehen. Der Zeitpunkt ist aber auch günstig: Vieles ist aufgegleist, wie etwa unser Jahrhundertprojekt Netto-Null, der Effort im Wohnbau und bei Tempo 30 oder der grüne kommunale Richtplan, und die städtischen Finanzen stehen günstig. Aber dass auf der Gegenseite massive und vielfältige Bedrohungen, ein bornierter bürgerlicher Kanton sowie zahlreiche existenzielle Herausforderungen auf uns warten, ist ebenso klar.

Umso mehr sollten wir ein paar Hausaufgaben machen.

Strategie statt Verzettelung

Viele Leute gehen in die Politik, «weil sie etwas tun wollen». Find ich auch gut so. Aber eine Partei muss sich zuerst überlegen, was sie tun will und wie sie es tun will. Und hier gibt es leider viel zu wenig Leute bei uns, die sich das überlegen bzw. sich an solchen strategischen Überlegungen beteiligen wollen. Die Grünen sind strategisch schwach. Punkt.

Fixe Abläufe statt viel Gerede

Ich bin immer wieder erstaunt, dass sich ganz viele Menschen in unseren Gremien Dinge gefallen lassen, die sie sich in ihrer beruflichen Tätigkeit nie bieten lassen würden. Angefangen von zu langen und zu langweiligen Sitzungen bis hin zu grotesk langem Palaver für einen Flyer oder einen Abstimmungsstand. Das können wir besser. Die unumgänglichen Routinegeschäfte, die es in der Parteiarbeit (leider) viele gibt, sollten wir ebenso routiniert, quasi beiläufig erledigen und dabei die Segnungen der Digitalisierung, wenn es sie ja schon mal gibt, voll ausnutzen. Es muss auch nicht jedes Detail basisdemokratisch ausdiskutiert werden. Sonst landen wir bei der → Verzettelung und haben keine Zeit für → Strategie.

Strukturen statt Chaos

Klar, Chaos gibt’s bei uns nicht, aber zu viele Strukturen, die schon lange nicht mehr hinterfragt wurden. Leider ist es so: Eine lebendige Partei muss Debatten darüber, welche, wie viele und wie zusammengesetzte Strukturen es gibt, immer wieder führen. Für mich dabei im Vordergrund: Führen wir endlich mal eine griffige Amtszeitbeschränkung ein! Das bringt Leben in die Bude.

Förderung von Menschen

Denn die effektivste Förderung von frischen Talenten ist die Aussicht auf eine gute Position, nicht die Aussicht auf eine altgediente Parteigrösse, die auf dem Schlauch sitzt, das törnt ab. Eigentlich haben wir keine definierten Vorstellungen davon, wie man fähige und willige Menschen fördert. Umgekehrt allerdings erlebte ich in den letzten Jahren zu viele Parteimitglieder, die meinen, ohne Arbeit ginge es auch. Geht es nicht. Fleiss und Engagement sind leider, so bünzlig das tönt, immer noch die wichtigsten Zutaten.

 

Eine gute Erzählung von der Welt von morgen

Aber das wichtigste von allem ist, dass wir unbedingt und so schnell wie möglich eine gute Erzählung von der Welt von morgen erfinden müssen. Die Kulturphilosoph:innen und Politolog:innen pfeifen es von den Dächern: Die liberale Gesellschaft ist ein Auslaufmodell. Eine Gesellschaft und Wirtschaft, welche existenziell auf Ausbeutung von Natur und Mensch beruht, hat keine Existenzberechtigung mehr und noch schlimmer: keine Zukunft. Das ist keine ideologische Haltung, sondern pure Physik. Das Gegenmodell aber, die konservative und autoritäre Gesellschaft, die sich abschottet und Hass predigt, ist ebenfalls keine Alternative. Wir hingegen kennen die Alternative, aber wir haben keine Bilder bzw. keine schlüssige Erzählung zur Hand, wie diese Gesellschaft mit Zukunft aussehen wird. Das aber braucht es, wenn man erfolgreich Politik machen will. Wenn wir den materiellen «Wohlstand» reduzieren wollen, wenn wir die Arbeit und die Vermögen gerecht verteilen wollen, wenn wir das Zweitauto verbieten, das Erstauto schrumpfen und die Ölheizung verschrotten, die Armut abschaffen, die Sans Papiers legalisieren und die Bildung für alle fördern wollen, und das alles lieber gestern als morgen, dann müssen wir etwas bieten: Die realistische, überzeugende und attraktive Aussicht auf eine bessere Welt. Das braucht eine Erzählung.

Darum: L’imagination au pouvoir!