„Woher kommst du?“ „Hast du den Schweizer Pass?“ „Bist du in der Schweiz geboren?“ „Welche Sprachen spricht du?“ „Wo haben sich deine Eltern kennengelernt?“ „Arbeiten deine Eltern?“

Dies sind alles Fragen, die ich in den ersten zehn Minuten einer neuen Bekanntschaft über mich ergehen lassen muss. Meist bleibt es nicht bei dem und nachdem ich der Höflichkeit zuliebe meine ganze Familiengeschichte bis zurück zu meinen Grosseltern ausgebreitet habe, folgen mehrere Kommentare über meine Herkunft. „Du siehst aber nicht so aus, als ob du aus Chile wärst.“ ist dabei die häufigste Aussage. Anscheinend passe ich nicht in das stereotypische Bild, das die meisten Europäer*innen von Menschen aus Südamerika in ihrem Kopf mit sich herumtragen. Am Schlimmsten sind die Menschen, die einmal in ihrem Leben für zwei Wochen Ferien in Südamerika waren. Wenn ich, einigermassen perplex, antworte, ich sei aber trotzdem aus Chile, versichern sie mir meistens, dass ich aber wirklich nicht so aussehe. Als selbsternannte Südamerika-Expert*innen müssten solche Personen doch eigentlich wissen, dass meine Vorfahren mehrheitlich aus europäischen Wirtschaftsflüchtlingen bestehen.

Rassistische Stereotypen beim Namen nennen

Eigentlich sollte ich mich nicht mehr darüber aufregen, ich führe dasselbe Gespräch seit ich mich erinnern kann. Es ist nur ein Symptom des tiefsitzenden Rassismus in der Schweiz.

So hatte ich im Verlaufe meiner Schulzeit einige Lehrpersonen, die sich schlichtweg weigerten, sich meinen Namen zu merken. Er sei zu kompliziert, lautet die Begründung dabei. Ob ich mir nicht einen deutschen Namen geben könne? Neuerdings erhalte ich auch immer den freundlichen Rat, ich könne ja, wenn ich heirate, den Namen meines Mannes annehmen, dann müsse ich mich nicht mehr so aufregen. Sobald ich meinen Namen nenne, wird ein Unterschied zwischen mir und meinen Mitmenschen mit stereotypisch Schweizerischen Namen gemacht: Ich als Individuum verschwinde hinter einem Stereotyp.

Komme ich mal fünf Minuten zu spät, heisst es gleich: „Ach, du bist aus Südamerika, ich weiss, dass ihr es mit der Pünktlichkeit nicht so genau nehmt.“ Werde ich wütend, heisst es: „Ach, ihr Südländer*innen, ihr seid einfach zu emotional.“

Als Mensch mit Migrationsgeschichte in der Politik

Diese Bemerkungen und Ratschläge sind das eine, aber es geht auch noch aggressiver. Wenn ich über meine politische Überzeugung rede, dann heisst es, ich solle erst mal in meinem Heimatland politisch aufräumen. Ich könne ja gehen, wenn es mir nicht passt. Ich hätte kein Recht hier zu sein. Ich müsse dankbar sein, dass ich hiersein darf. Wenn Sanija Amenti (GLP Zürich) die Mails veröffentlicht, die sie erhält,  sind alle schockiert. Aber ganz ehrlich – für uns ist das Alltag. Und es sind schlussendlich nur extreme Ausprägungen von Meinungen, mit denen wir ohnehin ständig konfrontiert werden.

Als linke Partei tun wir häufig so, als ginge das Alles uns nichts an. Rassismus ist schliesslich ein Problem der anderen, der Rechten, und nicht das unsere. Besonders die Bemerkungen über mein Aussehen höre ich aber von Personen unabhängig der politischen Ausrichtung.

Und das ist ja genau die Krux bei Rassismus: Eine Aussage muss nicht rassistisch gemeint sein um rassistisch zu sein.

Warum sind wir in den politischen Ämtern und Positionen so gut wie nicht vertreten? Für uns sind die Barrieren weitaus höher um politisch aktiv zu werden. Wir sind nur sozial akzeptiert, wenn wir unsere Identität negieren. Wenn wir uns auch noch in einer Minderheitspartei engagieren, müssen wir noch gegen grösseren Hass wappnen. Wenn Sara Akanji wegen den rassistischen Übergriffen nicht mehr für den Kantonsrat antritt, dann ist das eine Bankrotterklärung der Demokratie.

Der rechten Hetze ein Ende bereiten

Wir als GRÜNE, wir können dem nicht schweigend zusehen. Es reicht nicht, wenn wir uns für zehn Minuten empören und dann zurück zur Tagesordnung übergehen. Wir müssen entschieden entgegentreten und das geht nicht, wenn wir solche Vorkommnisse einfach ignorieren. Wir setzen uns zwar vorbildlich für eine humane Asylpolitik ein. Ich wünsche mir aber von meinen Mitstreiter*innen, dass auch unsere Stimme gehört wird. Wir, die Generation, die danach kommt. Wir, die Schweizer*innen aber doch auch etwas anderes sind. Ich wünsche mir, dass die Vielfalt der Herkunft auch in der Politik als Bereicherung angesehen wird. Ich wünsche mir, dass wir uns Diversität nicht nur auf die Fahnen schreiben, sondern auch aktiv leben. Und vor allem wünsche ich mir, dass wir damit der rechten Hetze ein Ende bereiten.

Dieser Text ist eine leicht redigierte Version von Catalina Gajardo Hofmanns Begrüssungswort an der Mitgliederversammlung vom 24.01.2023.