Die Missstände, welche ehemalige Mitarbeitende des MNA-Zentrums Lilienberg und weitere Fachpersonen offengelegt haben, sind alarmierend. Sie sind Ausdruck von unzureichenden und kindswohlgefährdenden Strukturen, welche über Jahre gewachsen sind und nicht behoben wurden. Sie sind das Resultat eines Sparvertrages, welchen das Kantonale Sozialamt und die AOZ im Jahr 2019 im Kanton Zürich zusammen vereinbart haben. Sie sind aber auch Folge einer Führungskultur innerhalb der städtischen Asylorganisation, welche Kritiker:innen stumm schaltet und ernsthafte Hinweise, von Betreuer:innen sowie Kooperationspartner:innen in den Wind schlug.

Letzten Freitag haben ehemalige Mitarbeiter:innen den Weg an die Öffentlichkeit gewagt. Sie haben diesen Gang bewusst und überlegt gewählt, nachdem sie monatelang bei der AOZ abgeklemmt wurden. Sie haben dabei den Austausch mit Fachpersonen und ausgewählten Politiker:innen gesucht. Die Hoffnung: endlich einen öffentlichen Diskurs über die Qualität der Unterbringung und Betreuung von MNA zu führen.

Es geht niemandem darum öffentlich dreckige Wäsche zu waschen. Die erste öffentliche Reaktion der AOZ letzten Freitag suggerierte jedoch genau das, was höchst irritierend ist. Darum gilt es jetzt den Fokus zu justieren. Hinweise und auch Kritik von Mitarbeiter:innen und Kooperationspartner:innen müssen endlich ernstgenommen werden.

Klar ist, dass die mit dem Kanton vertraglich vereinbarte Entschädigung für die Unterbringung und Betreuung von MNA viel zu tief ist und die AOZ so, die mit dem KSA vertraglich vereinbarten sozialpädagogischen Standards nicht einhalten kann. Es darf nicht bis zur Erneuerung des Rahmenvertrages im März 2024 mit Massnahmen gewartet werden. Viel mehr braucht es eine sofortige Erhöhung der personellen Ressourcen und die Eröffnung weiterer Unterkünfte.

Wir schlagen heute unter anderem die folgenden Sofortmassnahmen vor:

  1. Die Anstellung von zusätzlichen Sozialpädagog:innen für die Betreuung und Begleitungen der Jugendlichen im MNA-Zentrum Lilienberg: Dafür braucht es in betreuungsintensiven Zeiten mindestens zwei Sozialpädagog:innen pro Wohngruppe. Die Mehrkosten dafür muss die AOZ bis Ende Jahr aus ihrem Eigenkapital decken. Dieses betrug per 31. Dezember 2021 11.57 Millionen Franken. Wenn die Sicherheitsdirektion nicht bereit sein sollte, die zusätzlichen Personalkosten ab Januar 2023 zu übernehmen, soll der Zürcher Stadtrat die Ausgaben dem Gemeinderat im Rahmen eines neuen Auftrags für besondere städtische Integrationsleistungen beantragen.
  2. Die Halbierung der Kapazität des MNA-Zentrums Lilienberg und Eröffnung von bis zu fünf weiteren MNA-Unterkünften: Gemäss Vertrag können im MNA-Zentrum Lilienberg bis zu 90 Jugendliche untergebracht werden. Dies hat zu unhaltbaren Unterbringungssituationen gesorgt, in denen sich bis zu vier Jugendliche, ein im Durchschnitt 12 Quadratmeter grosses Zimmer teilen mussten. Zudem führte dies zu Gewalt, Lärm sowie einem Gedränge bei den wenigen sanitären Anlagen und Küchen. Zunehmend begann das Recht des Stärkeren zu gelten. Wir fordern deshalb eine Halbierung der Kapazität im Lilienberg sowie die Eröffnung neuer Unterkünfte für Wohngruppen.
  3. Die Definition von Mindeststandards für Vergabe von Aufträgen: Die Standards für Unterbringung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen sind durch die Pflegekinderverordnung des Bundes und das Kinder- und Jugendheimgesetz des Kantons Zürich sowie die dazugehörende Verordnung geregelt. Wir fordern, dass die Aufsicht über die MNA-Strukturen des Kantons Zürich analog zur Aufsicht über die Zürcher Kinder- und Jugendheime geregelt wird.
  4. Die lückenlose Aufarbeitung der Vorkommnisse: Die Berichte der ehemaligen Lilienberg Mitarbeitenden zeichnen das Bild eines staatlich geführten Kinder- und Jugendheims, welches Kindswohlgefährdung in Kauf nahm und Audits beschönigte. Dies sind besonders schwerwiegende Verfehlungen. Wir fordern die Aufsichtsorgane von Stadt und Kanton Zürich zu einer lückenlosen und externen Aufarbeitung, der über Jahre hinweg unzureichenden und kindswohlgefährdenden Unterbringung und Betreuung der MNA auf. Die Verantwortlichkeiten sind zu benennen und deren Ebene wo nötig personalrechtliche Massnahmen zu prüfen.

Viele dieser Forderungen kann die AOZ in Rücksprache mit dem Stadtrat in eigener Kompetenz erfüllen oder beim KSA einfordern – nötigenfalls mit entsprechenden Nachverhandlungen zum Vertrag. Wir hoffen, dass die AOZ und der Stadtrat unsere Forderungen ernst nehmen und einen offenen und gemeinsamen Diskurs nicht scheuen. Für die rasche und saubere Aufarbeitung der Vorkommnisse werden wir an der heutigen Sitzung ein entsprechendes Untersuchungs- und Berichtspostulat einreichen. Zudem behalten wir uns vor weitere Vorstösse einzureichen, wenn sich an den Zuständen nichts oder zu wenig ändert.