Immer dann, wenn der Kanton Zürich die alljährliche Kriminalstatistik präsentiert, gehen die politischen Wogen hoch. Es ist die Sternstunde der Populist*innen und ihren Forderungen. Die Fragen nach den Ursachen, strukturellen Hintergründen, warum bestimmte Delikte um so oder so viele Prozentpunkte angestiegen sind und die Situation der Tatverdächtigen, rücken dann in den Hintergrund. Der sachdienliche Hinweis, dass die Kriminalstatistik nur eine Tatverdachts- und keine Gerichtsurteils-Statistik ist, interessiert sowieso niemanden. Vielmehr ist der Diskurs geprägt von populistischen Hetzkampagnen und verdeutlicht den leider tief verankerten Rassismus in unserer Gesellschaft.

In der diesjährigen Debatte sticht eine Forderung – und insbesondere deren Absender – aber besonders hervor. 32 jugendliche Tatverdächtige wurden in Bezug auf Messerangriffe im Jahr 2023 in der Statistik registriert. 7 davon stammen aus Afghanistan, je 3 aus Syrien und Eritrea. Dieser Fakt liess den zuständigen kantonalen Sicherheitsvorsteher Mario Fehr zur Aufforderung hinreissen, dass das Staatssekretariat für Migration (SEM), solchen Jugendlichen den Asylstatus wegnehmen und diese so schnell wie möglich ausschaffen soll. Allgemein sei jetzt eine härtere Gangart mit delinquenten, unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden angebracht. Aus den Augen aus dem Sinn, ist Fehrs altbewährtes Motto. Applaus erhält Fehr von der kantonalen FDP und der SVP, welche diese Forderungen in einer Medienmitteilung unterstreicht und ihm in Sachen populistischer Effekthascherei in nichts nachsteht. Dabei wird verschwiegen, dass Minderjährige durch besondere Konventionen geschützt sind und selbst wenn das SEM ihren Aufenthaltsstatus entziehen würde, eine zwangsweise Rückführung nicht möglich ist. Sie verblieben einfach als minderjährige Sans-Papiers im Kanton Zürich. Das Rezept der Härte, so einfach es klingen mag, lässt sich nicht umsetzen und würde vielmehr Gegenteiliges bewirken. Eigentlich müsste dies ein Sicherheitsdirektor wissen.

Neben der Verantwortung für den Sicherheitsbereich verantwortet ebendieser Mario Fehr auch das kantonale Asylwesen. In den letzten zwei Jahren traten konstante gravierende Missstände bei der Unterbringung und Versorgung von MNA ans Tageslicht. Einerseits zeigten sich diese in einer vom Kanton aufgeheizten Dumpingpolitik, in welcher stets das günstige Betreuungsangebot gewählt wurde und zu den verheerenden Missständen in MNA-Zentren wie dem Lilienberg führten. Weiter ist auch Mario Fehr dafür verantwortlich, dass diese Jugendlichen zu wenig Betreuung und professionelle Begleitung haben, keine ausreichende sozio-psychologische Unterstützung erhalten, um ihre Traumata zu bewältigen und kaum Zukunftsperspektiven haben.

Betreuer*innen, Sozialarbeiter*innen oder Jugendpsycholg*innen und -psychotherapeut*innenn haben in den letzten Monaten, ja Jahren, gewarnt, dass diese Missstände verheerende Folgen für die gesellschaftliche Integration dieser Jugendlichen und damit verbundene Auswirkungen auf ihr Verhalten haben wird. Hier zeigt sich, dass strukturelle Bedingungen, die adäquat und unterstützend wären, unbedingt nötig sind. Dies gilt für alle Jugendlichen – egal ob mit oder ohne Asylhintergrund. Dass MNA so schlechte Bedingungen haben, ist skandalös und der humanitären Schweiz unwürdig. Es geht nicht darum Gewalt zu verharmlosen, es geht darum, einen Fokus darauf zu setzen, dass adäquate strukturelle Bedingungen die beste Gewaltprävention sind und nicht irgendwelche harten Strafen. Mario Fehr hat dazu öffentlich immer geschwiegen oder abgewiegelt. Auch die Neuausschreibung des MNA-Auftrags im letzten Herbst liess einige wichtige Fachfragen unbeantwortet. Die versprochenen Verbesserungen lassen auf sich warten und bestehen lediglich aus Ankündigungen.

Jetzt, wo 13 von 32 Tatverdächtige eines medial fokussierten Tatbestandes Jugendlichen mit Asylhintergrund zugeordnet werden – notabene bei hunderten Jugendlichen, die sich nichts zu Schulden kommen lassen und sich trotz mangelhafter Unterbringung und Betreuung um gesellschaftliche Integration bemühen -, hechtet Fehr vor die Mikrophone und markiert den Mann der harten Hand. Dabei wäre Fehr dem Sicherheitsvorsteher sehr gedient, wenn Fehr der Sozialvorsteher endlich seinen Job machen und sich für eine echte gesellschaftliche Integration von MNA einsetzen würde.